Gamification beschreibt den Einsatz von Spielmechaniken, mit dem Ziel, die Motivation des Nutzers durch Feedback zu erhöhen (vgl. unseren ersten Artikel zu Gamification im Webdesign).

Neben Elementen zur Steigerung der Motivation untersuchen wir in diesem Artikel, wie Gamification die Verwendung eines Produktes vereinfachen kann und einen Nutzer schrittweise an eine komplexe Aufgabe heranführt. Außerdem bietet Gamification einen optimalen Rahmen, um den Nutzer durch Auslöser gezielt zur Durchführung gewünschter Aktionen aufzufordern.

Dabei stellen wir sowohl allgemeine Konzepte und Hintergründe der Verhaltenstheorie vor und präsentieren Anregungen, wie diese Techniken in Webdesign und Online-Marketing genutzt werden können.

Menschliche Grundbedürfnisse im Webdesign

Um den Einfluss von Gamification auf die User Experience einer Webseite zu untersuchen, wird im Folgenden BJ Foggs Verhaltensmodell herangezogen, dessen prägende Elemente Motivation, Einfachheit und Auslöser sind - genau die Elemente, die sich mittels Gamification bewusst in eine Webseite integrieren lassen.

Darstellung des Verhaltensmodells nach Fogg als Diagramm mit den Faktoren Motivation, Einfachheit und Auslöser.

Fogg argumentiert, dass eine Person nur dann ein bestimmtes Verhalten durchführt, wenn sie zu einem Zeitpunkt ausreichend motiviert ist, über die notwendige Fähigkeiten verfügt und einen Auslöser erhält.

Drei Schritte zum gewünschten Verhalten: Motivation, Einfachheit und Auslöser

Motivation beschreibt den Willen einer Person, ein bestimmtes Verhalten durchzuführen. Dabei sind insbesondere sechs sogenannte motivierende Faktoren von Bedeutung, die sich jeweils in Gegensatzpaaren gruppieren lassen:

Die unmittelbare Reaktion auf eine Situation äußert sich entweder in Freude oder Schmerz, wobei beide Faktoren gleichsam motivierend sein können.

Die Erwartung an das Resultat einer Situation manifestiert sich in Hoffnung (auf ein gutes Resultat) oder Angst (vor einem schlechten Resultat).

Das Streben nach Bestätigung ist ebenso ein starker Motivator. In der Regel ist eine Person stets motiviert, Dinge zu tun, die soziale Anerkennung zur Folge haben. Gleichsam werden Handlungen vermieden, die Ablehnung im sozialen Umfeld hervorrufen.

Die gegensätzlichen Faktoren jedes Paares sind dabei gleich stark motivierend.

Motivatoren sind persönlichkeitsabhängig

Je nach individuellem Charakter kann ein Motivator auch andere Motivatoren überschreiben. So kann beispielsweise die Angst vor einer Krankheit eine Person dazu animieren, sich eine Impfdosis verabreichen zu lassen. Der Schmerz der Injektion ist dann der Angst vor der Krankheit untergeordnet.

Einfachheit legt die zur Durchführung eines bestimmten Verhaltens notwendige Fähigkeit fest. Dabei stehen weniger konkrete Fertigkeiten im Vordergrund, vielmehr wird die Einfachheit eines Verhaltens durch folgende allgemeine Faktoren bestimmt:

  • Zeit:
    Je mehr Zeit nötig ist, desto schwerer das Verhalten.
  • Geld:
    Je mehr finanzielle Mittel nötig sind, desto schwerer das Verhalten.
  • physischer Aufwand:
    Je größer der notwendige physische Aufwand, desto schwerer das Verhalten.
  • kognitiver Aufwand:
    Je mehr Nachdenken beziehungsweise Umdenken nötig ist, desto schwerer ein Verhalten.
  • soziale Abweichung:
    Je stärker ein Verhalten von der sozialen Norm abweicht, umso schwerer ist es.
  • Routine:
    Je häufiger ein Verhalten bereits durchgeführt wurde, desto einfacher ist es.
Ein großer grüner Button mit der Aufschrift 'Start', sinnbildlich für Auslöser im Webdesign.

Auslöser sind Elemente, die zu einem bestimmten Verhalten auffordern. Dabei lassen sich die Auslöser Zünder, Vermittler und Signal unterscheiden, die je nach Motivation beziehungsweise Fähigkeit einer Person unterschiedlich starke Appelle darstellen.

Wenn eine Person sich in der Lage befindet, ein Verhalten durchzuführen, jedoch nicht über die notwendige Motivation verfügt, kann ein Zünder das Verhalten dennoch auslösen. Meist tritt ein Zünder zusammen mit einem motivierendem Element auf, um eine maximale Wirkung zu erreichen.

Wenn eine Person hingegen sehr motiviert ist, jedoch nicht über die nötige Fähigkeit verfügt, ein Verhalten durchzuführen, kann ein Vermittler das Verhalten vereinfachen beziehungsweise die vorhandenen Fähigkeiten einer Person unterstützen.
Ein vermittelnder Auslöser wird häufig bei der Aktualisierung von Software verwendet. Dem Nutzer wird deutlich gemacht, dass "nur ein Klick" nötig ist, um die Aktualisierung vorzunehmen.

Sofern eine Person über hohe Motivation und hohe Fähigkeit verfügt, sind sowohl zündende, wie auch vermittelnde Auslöser störend. Ein Signal dient in diesem Fall als Erinnerung und weist auf ein passendes Verhalten hin. Eine rote Ampel löst beispielsweise weder Motivation noch Befähigung aus, zeigt jedoch das in der Situation passende Verhalten an (warten, bis die Ampel grün wird).

Erfahrungspunkte und Ranglisten: Motivierende Elemente im Webdesign

Ob Registrierung, Einkauf oder Kontaktaufnahme: Webseiten streben häufig ein bestimmtes Verhalten des Nutzers an. In der Regel sind die gewünschten Verhalten einfach - der Nutzer muss lediglich ausreichend motiviert werden.

Eine einfache Methode zur Motivation von Menschen besteht in der Befriedigung von Grundbedürfnissen. Auf diese Weise kann Gamification im Webdesign gezielt ein Gefühl der Freude erzeugen. Im Folgenden haben wir beispielhaft Spielmechaniken aufgeführt, die zur Befriedigung von Grundbedürfnissen und somit zur Motivation von Nutzern im Webdesign genutzt werden können.

MotivSpielmechaniken im Webdesign
NeugierEinführung, Relevante Links, Weiterführendes („Das könnte Sie auch interessieren“), Überraschendes
UnabhängigkeitAnpassung, Individualisierung, Avatar, Unsichtbarkeit
StatusRangliste, Abzeichen
Sozialer KontaktFreundeslisten, Chat, Nachrichtensysteme, Kommentare
RacheWettbewerb, Karmapunkte
IdealismusKarmapunkte
RomantikFreundeslisten, Chat, Nachrichtensysteme, Kommentare
AkzeptanzAbzeichen, Levels, Ruhmpunkte
RuheEinführung, Hilfe, Unsichtbarkeit
SicherungErfahrungspunkte, einlösbare Punkte

Obwohl diese Grundbedürfnisse auf jeden Menschen zutreffen, sind individuelle Schwerpunkte zu erkennen. Diese lassen sich durch Zuordnung zu den vier Spielertypen nach Bartle (mehr in unserer Einleitung zu Gamification im Webdesign) gruppieren. Dabei ist eine überdurchschnittlich starke Zuordnung zum Spielertyp "Socializer" zu erkennen.

Ein Diagramm, in dem einzelne Grundbedürfnisse den vier Spielertypen nach Bartle zugeordnet sind.
Zuordnung von Grundbedürfnissen zu Spielertypen: Insbesondere soziale Aspekte sind wichtig und sollten im Webdesign entsprechend beachtet werden.

Einfachheit im Webdesign

Auch eine ausreichend motivierte Person wird ein Verhalten nicht durchführen, solange sie nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügt. Die Vereinfachung eines Verhaltens - beispielsweise die Bestellung in einem Online-Shop - führt folglich zu einer höheren Durchführung des Verhaltens.

Erinnerung: Definition von Einfachheit

Ein Verhalten ist nur dann einfach, wenn es zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Ressource erfordert, die in diesem Moment fehlt. Diese Ressourcen sind mit den vorgestellten Faktoren der Einfachheit (Zeit, Geld, physischer Aufwand, kognitiver Aufwand, soziale Abweichung und Routine) gleichzusetzen.

Die Anforderungen an Zeit, Geld und physischem Aufwand können durch den Einsatz vermittelnder Auslöser beeinflusst werden - mehr dazu später.

Die Ressourcen Routine, kognitiver Aufwand und soziale Abweichung hingegen können im Webdesign direkt beeinflusst werden:
Wenn das häufige oder lange Durchführen eines Verhaltens durch Motivatoren belohnt wird, erlangt eine Person durch Training schließlich Routine in der Durchführung dieses Verhaltens. Als Resultat wird dieses Verhalten einfacher. Da Gamification auf dem Einsatz von Motivatoren wie Punkten und Auszeichnungen als Elemente positiver Feedbacks aufbaut, unterstützt sie das Erlangen von Routine und die damit verbundene Vereinfachung eines Verhaltens.

Durch den Einsatz von Spielmechaniken können sogar soziale Maßstäbe beeinflusst werden. Verhalten, die allgemein als unsozial gelten (wie Schummeln, Egoismus oder sogar Mord) können durch Spielmechaniken verharmlost werden. So kann das Töten eines Gegners in einem Spiel ähnlichen Jubel hervorrufen wie das Erzielen eines Tores im Fußball (Kaum zu glauben? Im modernen E-Sports ist dieses Verhalten alltäglich.).

Der größte Vorteil von Gamification liegt in dieser Hinsicht jedoch auf der Verstärkung sozialer Bestätigung – und somit der Vereinfachung eines Verhaltens durch Minimierung der sozialen Abweichung. Dieser Ansatz wird auch als Social Engagment Loop bezeichnet.

Soziale Bestätigung als Motivator: So funktionert der Social Engagement Loop

Durch den Einsatz von Spielmechaniken erzeugt die Nutzung einer gamifizierten Webseite ein motivierendes Gefühl wie Neugier oder Stolz. Dadurch wird eine soziale Handlung – wie das Fragen nach Hilfe oder das Weitersagen an Bekannte – ausgelöst, was wiederum dazu führt, dass das Verhalten erneut durchgeführt wird. Wenn dieses Verhalten einen sichtbaren Fortschritt erzeugt, löst dieser erneut ein motivierendes Gefühl aus.

Ein Storyboard gibt einen Einblick auf die Bedeutung einer Webseite für den Alltag eines Nutzers.

Dieser Social Engagement Loop tritt häufig in gamifizierten Anwendungen auf. Nutzer, die eine Auszeichnung oder ein neues Level erreichen, können dies beispielsweise automatisch in sozialen Netzwerken (wie Facebook und Twitter) öffentlich verkünden.

Zielgerichtet und dem Kontext angemessen: Auslöser im Webdesign

Neben ausreichender Motivation und Einfachheit ist auch immer ein Auslöser nötig, um ein bestimmtes Verhalten hervorzurufen.

Ein Nutzer kann beispielsweise aus Unsicherheit zögern, ob ein Verhalten zu einem bestimmten Zeitpunkt angebracht ist. Ebenso kann er sich seiner Fähigkeiten nicht bewusst sein, beziehungsweise die Einfachheit eines Verhaltens falsch einschätzen und dieses deshalb für zu schwierig halten. Auch verhalten sich Besucher einer Webseite häufig so, wie sie es von anderen Seiten gewohnt sind und übersehen, dass andere Verhalten durchgeführt werden können.

In allen drei Beispielen kann der Einsatz von Auslösern dennoch das gewünschte Verhalten auslösen:

  • Ein zögernder Nutzer kann durch einen zündenden Auslöser motiviert werden.
  • Ein kompliziertes Verhalten kann durch einen vermittelnden Auslöser vereinfacht werden.
  • Ein signalisierender Auslöser kann auf mögliches Verhalten hinweisen.

Beim Einsatz von Auslösern ist die Wahl des Zeitpunktes besonders wichtig. Ein Auslöser, der zum falschen Zeitpunkt auftritt, wirkt störend und kann einen Nutzer verärgern. Das ist beispielsweise bei E-Mail-Spam, ebenso wie bei Pop-Up-Werbung zu beobachten.

Ein Auslöser zum richtigen Zeitpunkt kann immer noch stören, wenn die Art des Auslösers (Zünder, Vermittler oder Signal) nicht zur Situation des Nutzers passt. Hier ist der Einsatz von Gamification von großem Vorteil, denn Spielmechaniken dienen neben der Motivation durch Feedback auch als Grundlage für effektive Auslöser, da sie auf Handlungen eines Nutzers reagieren und sich so seinem Verhalten anpassen können.

Bei modernen interaktiven Medien kann ein Verhalten in der Regel unmittelbar auf einen Auslöser erfolgen. Beispielsweise kann Werbung, die per E-Mail verschickt wird, einen Nutzer mit nur einem Klick direkt zum Kaufvorgang leiten. Werbung im Fernsehen oder in Zeitschriften hingegen erfordert einen Wechsel des Kontextes, um das gewünschte Verhalten durchzuführen. Folglich haben Auslöser im Webdesign eine besonders hohe Relevanz.

Zielgerichtete Auslöser als Basis für ein gutes Online-Marketing

Im modernen Webdesign sind insbesondere die folgenden Auslöser von Bedeutung, um Besucher über ein gutes Online-Marketing langfristig an die eigene Webseite oder Webanwendung zu binden:

  • E-Mails:
    Nachrichten, die über Neuigkeiten und Vorgänge informieren und den Leser häufig zu einem Verhalten auffordern
  • Pop-Ups:
    visuelle Elemente, die den eigentlichen Inhalt verdecken und meist werbende oder auffordernde Botschaften beinhalten
  • User-Interface:
    visuelle Elemente in der Benutzeroberfläche, die farblich oder durch ihre Größe hervorgehoben sind und meist auf Ereignisse im System oder aktuelle Aktionen hinweisen
  • Audio:
    auditive Elemente, die durch den Einsatz von Soundeffekten auf Neuigkeiten hinweisen
  • Überschriften:
    auffälliger Text, der meist die Einfachheit eines Verhaltens betont und zum Handeln auffordert

Die konkrete Form des Auslösers ist in der Regel von geringer Bedeutung. Vielmehr ist die Botschaft des Auslösers wichtig. Ähnlich wie Motivatoren können die Botschaften von Auslösern den vier Spielertypen zugeordnet werden:

Spielertypzündender Auslöservermittelnder AuslöserSignal-Auslöser
Achiever"Mache [etwas] und du erhälts [eine Belohnung].""Du kannst direkt loslegen.""Du kannst jetzt einen Bonus bekommen."
Explorer"Es gibt neuen Inhalt.""Schau dich in Ruhe um, du hast alle Zeit, die du benötigst.""Das könnte dich auch interessieren."
Socializer"Es gibt Neuigkeiten von deinen Bekannten.""Du kannst einfach hier klicken, um zu reagieren.""Was gibt es Neues? Teile es mit deinen Bekannten."
Killer"Du wurdest in der Bestenliste überholt.""Wähle einen Schwierigkeitsgrad.""Fordere jemanden heraus."

Zusammenfassung: Drei Bausteine für ein effektives Webdesign

In diesem Artikel haben wir gezeigt, wie ein methodisches und durchdachtes Webdesign das Verhalten von Nutzern beeinflusst. Insbesondere die Faktoren Motivation, Einfachheit und Auslöser sind auf Webseiten von besonderer Bedeutung.

Motivatoren erzeugen durch die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse positive Emotionen und erhöhen auf diese Weise die User Experience einer Webseite oder Webanwendung.

Durch Routine (in Verbindung mit Motivatoren), sowie durch Verringerung des kognitiven Aufwands und durch die Beeinflussung sozialer Maßstäbe kann Gamification ein Verhalten vereinfachen.

Spielmechaniken der Gamification bieten schließlich eine solide Grundlage für zündende, vermittelnde und signalisierende Auslöser. Diese sind im Webdesign von hoher Bedeutung, da Nutzer in der Regel direkt auf einen Auslöser reagieren können.

So geht es weiter: Theorie der User Experience

Nachdem wir uns bereits mit internen und externem Storytelling sowie mit Gamification als Einflussfaktoren auf eine gute User Experience im Webdesign beschäftigt haben, werden wir in den kommenden Artikeln den Fokus auf das Gebiet der User Experience im Allgemeinen richten. Dabei werden wir sowohl wissenschaftliche Hintergründe erläutern, die für eine gute Erfahrung wichtig sind, aber auch konkrete Modelle zur praktischen Anwendung im Webdesign vorstellen.

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